Page 8 - Blutritt Weingarten 2017
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 Blutritt in Weingarten
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Der Blutritt im oberschwäbischen Weingarten gilt als größte Reiterpro- zession in Europa. Sie findet immer am Freitag nach Christi Himmelfahrt, dem sogenannten Blutfreitag, statt. Dieser wurde 1529 erstmals schriftlich erwähnt und bereits damals als Brauch „von alt her“ bezeichnet. Traditionell ist der Blutritt eine Männerwallfahrt und derzeit die einzige Wallfahrt ohne offizielle weibliche Teilnehmer – aber die Männerdominanz bröckelt.
In der Abtei Weingarten befindet sich seit über 950 Jahren eine Hei- lig-Blut-Reliquie: etwa Erde, getränkt mit einigen Tropfen Blut von Jesus Christus. Das Reliquiar wird in der Weingartener Klosterkirche aufbe- wahrt. Am Blutfreitag trägt der Hei- lig-Blut-Reiter das Reliquiar durch Weingarten und das Umland.
Jedes Jahr treffen sich rund 3.000 Reiter in Frack und Zylinder, organisiert in über 100 Blutreitergruppen aus der ganzen oberschwäbischen Region, aber auch Blutreiter aus Vorderöster- reich oder der Reutlinger Alb.
Etwa 80 Musikkapellen begleiten die Reitergruppen. Dabei sind sie nicht allein – der Blutritt wird jedes Jahr von über 30.000 Pilgern und Zuschauern überwiegend aus Oberschwaben be- gleitet.
Entstehungsgeschichte
Abt Walicho vom Kloster Weingar- ten wird am 31. Mai 1090, am Freitag nach Christi Himmelfahrt, die Reliquie übergeben. Und so heißt es, dass zur
Erinnerung an dieses Ereignis der Heilig-Blut-Ritt entstand. Diese Inter- pretation hat etwas Ungewöhnliches, könnte aber tatsächlich möglich sein: Die Reliquie wurde an diesem Tag dem Kloster testamentarisch, also schrift- lich vermacht. Aber erst anlässlich des Todes von Judith von Flandern am
05. März 1094 tatsächlich dem Kloster übergeben.
Es kann aber auch sein, dass der Blutfreitag vom sogenannten Schauer- freitag ausgegangen ist. Der besagt, die Bauern hätten am Himmelfahrtstag während der Predigt aus dem Evangeli- um den Ausspruch Christi gehört: „Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel wie auf Erden.“ Und praktisch veranlagt sagten sie sich, wenn Christus jegliche Macht besitzt, dann soll er uns und un- seren Tieren helfen, für gutes Wachs- tum sorgen und die heftigen Unwetter fernhalten. Und deshalb hätten die cle- veren oberschwäbischen Bauern ihre Pfarrer genötigt, am darauffolgenden Freitag mit dem Allerheiligsten in der Monstranz um die Felder zu ziehen und diese zu segnen, um feindliche Mächte abzuwehren.
Diese Umgänge in Stadt und in der Natur wurden im 15. und 16. Jahr- hundert wieder verboten. Weingarten besaß aber eine Heilig-Blut-Reliquie. Ein mutiger Priester und sein Messner sind mit ihr um die Pfarrei geritten wie dies schon seit der Karolingerzeit nach- gewiesener kirchlicher Brauch war.
Es schlossen sich diesen beiden, dem Pfarrer und Mesner, am Himmel- fahrtstag, ebenfalls zu Pferd und aus Frömmigkeit, andere aus der Gemein-






















































































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